Neu-Braunfelser Zeitung. (New Braunfels, Tex.), Vol. 17, No. 42, Ed. 1 Friday, September 10, 1869 Page: 1 of 4
This newspaper is part of the collection entitled: Neu Braunfelser Zeitung and was provided to The Portal to Texas History by the Texas State Library and Archives Commission.
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Jerausgegeben und redigirt von Ferdin an d J. Lindheimer.
Gahrgang 17
Freitag, den 10. September 1869
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Abonnement auf die v. 23. Bettung
eon Ro.
bis No.
für Serrn
Der Landschaftsmaler.
„Gottlob, Sie haben das überwunden!"
rief Lilli aus.
„Ja, Gott sei Dank, und wer
es jetzt mit mir stände, wenn man
mats mitfortgeschleppt hätte, statt
am 20 ge liegen zu lassen. Es
weiß
mich
mich
wie
da-
falt
ist besser
so gewesen. Man verdankt gern den Andern
alles Gute, aber am liebsten doch sich sel-
ber.
Nie werde ic den Tag vergessen, als der
Gedanke in mir aufzudämmern begann,
die Leute könnten Recht haben mit ibrem
Urtheil, und mein Carton sei nichts wertb.
C. war an einem Morgen, als ic vor
bintrat und mir die Figuren ansab. Sie
ben mich plößlic alle fremd an. Einte
chenbafte Leerheit erfüllte sie, keine war
ibn
sa
lei-
ein
Stüc meines eigenen Lebens. Sc batte ste
geselben, nachgeabmt, gestohlen, o bne es zu
wissen. Alles war auf den Effect berechnet,
nichts so wie fid es für milch allein gemalt
bade ürd 3c hatte nur jeigen wollen,
was ich gelernt bätte, aber wo au 1 rei
irre Linie die ch 1 zuerst geseben, emp
funden und gezogen hatte? Wo ein Körper,
er mius T o sein und nicht
derselben, Wand an Wand Wand mit dem
meinigen, stand leer, und war erst seit Kur-
zem wieder vermietbet worden. — Jetzt bör-
te c den neuen Besitzer neben mir eintreten
und hin und ver geben. Ich gäblte gedan-
los seine Stritte. Ic dachte nach, wie es
nur möglich sein könne, daß ein Mensch so
rubig geben und steben könne, während dicht
an seiner Seite der andere verloren
und vernichtet war. Ic founte ibn nicht,
batte ihn nie geseben, aber ic sah ihn für
meinen Feind an und schalt ibn falt und qe
fübllos. AlleMenschen glichen ihm in diesen
Augenblicke, er aber war der ärgste. I
warf mich auf mein Bett und starite nac
der Decke des Zimmers binauf, wo der Kalf
einen langen unregelmäßigen R B batte,
dessen Zickzack zu lauter Fratzen ward, die
mich verbübnten. It shlog die Augen, ic
meinte, ic würde ruhiger, und es schien mir
als wäre es möglich, einzuschlafen, aber der
Druff war zu qreß, der m ich belastete. 9ä
re eine Woffc zur Hand gewesen ic
bätte sie jetzt gegen mich selbst geric
tet
Da flog durch die leichteWand, an der ic
lag, ein Ton zu mir herüber, nie werde ic
ibn vergessen und die welche ibm folgten,
so lange ic les and den Schauer, ntit dem
es mich durchzuckte. Es wa der Klang einer
Geige Langsam, aber wie Feuer, Glück u.
Verderben in einem Strable ausgießzend,
drangen die Töne mir an’s Herz, und indem
sie mehr und mehr Besitz nahmen von mei-
Farbe sab, unsblige zarte Töne, Leben über-
al und unergründlichen Reichthum."
„Und der Unbekannte, dessen Spiel
bezauberte ?‘ —
Friedrich wollte antworten, doc €0
Sie
un-
anderesbeisen Stellung vor meiner Seele ner Seele, erblaßten die unerträglichen Ghe-
austauchte, bessenUlmriß ic in balb träumen-
danke n, Die mich quälten. Niemals wieder
bet Freude über seine Erscheinung mit
schüchterner Hand festyuhalten suchte, allein
meinem Ideale gegenüber und loogelöf von
den Gedanken an fremde Augen und die Be-
wunderung der Welt ? —- Richts, keine
Spur von dem, und doc lag soviel in mei-
ner Seele, das nach einer Form verlang-
te.
Das Bild war mir zuwieder. Ic mochte
es nicht mebr anseben. Es trat ein Freund
bercin und fing es an heraussustreicben. Set-
ne Worte wurden nit efelb ft. Kaum war
er fort, b founte nicht erwarten, naß er gin-
ge, so nah t ic meine Wef rinud f Snift Das
habe ic so spielen bören. Es durchströmt e
mich ein reiner Strom beruhigter Gefühle,
wie die erfrischende küble Luft des Meeres,
an die ein Reisender in der Wüste zurüdge-
denkt, als wenn er sie niemals wieder
kosten sollte. Ic horchte und horchte. Er
hielt inne und begann von neuem. Ic hörte.
wie er dabei aus und ab ging. 3h
seine Chritte. Zuerst fü chtef
te enden, bald aber kachte in n
ran, eine süße Gewohnheit über m
ete
: #
mid
Ding and dem Rom
3 rasmo ju
sammen und packte es i t Ecke Ith atb
mete auf. Ich schien mir vie vom bösen gein-
de befreit zu sein. Mir war einen Augen-
blick zu Muthe, als wäre id glücklich. —
Aber das war ic nicht. It nahm meine
Mappen vor und sab sie durch, in der wüsten
Idee, dec irgend etwas thun zu müssen.
Aber es ging mir nicht besser: Alles war
mir fremd geworden, nur die Erinnerung
an die unbesorgten Tage in Italien und
meine Hoffnungen klebten traurig an den
Blättern. Wo war der Himmel von Ser
rent ? Der Tag fab gleichgültig urch di
Scheiben. die Wolken hatten keine Form und
keine Farbe, die Wagen rasselten unten vo
rüber. Ich erschien mir so verstoß 1, so arm,
wie niemals ein Mensch ans Erden "Nuc die
Aermsten hatten doc ihre Arbeit u o, vo
sie fehlte, den Gedanken wenigstens, daß sie
arbeiten könnten, wenn sich nur die Gelegen
beit fände. Ic aber stand da und wußte
nichte, was ic angreifen sollte. ebensogut
bätten mie die Hände und Arme fehlen kön
nen."
Hier schwieg der Maler. Unwillkürlich
verglich er seinen damaligen Zu-
stand mit dem des Moments : er glaub e, es
sei unmöglich, den Neichtbum zu umspannen,
der ihn hier umgab. Er börte des Mädchens
Schritte neben sich. Er stand sti I, sie hemm
te ihren Gang. Ob sie wobl füblte, welch’
ein Stel; ihn durchdrang, daß er ihr so von
seinem Leben sprechen durfte ?
„Run ?‘ fragte sie sanft nac einer Wei-
le.
„D, e6 ermüdet Sie," antwortete er.
Doch er wollte sic nur von ihr bitten laf-
sen.
„Ac Gott," rief sie aus, id würde die
ge ge Macht kein Auge quibun, wenn ic
nicht vorher erführe, wie sie aus dieser Noth
gckomme find.”
„Seltid n genug," sagte er. „Durch Jau
berei Dnr dien Zufall, wenn Sie wol-
len ch w seitdem, daß es keinen Zu-
fall/mebr giebt! Ich weis auch," fügte er
feurigen inzu, „daß alles Schöne nur um
seiner selbst willen da ist’ und trotzdem all.
mächtiger wirkt, als alle Mächte der Erde!
Aber es wird Ihnen nur ein Zufall dünken
wenn ich es erzähle.
Ic hatte ein geräumiges, viele Treppen
bocp gelegenes Zimmer inne, eine Art gro-
ser Bodenkaumer, deren viele nebeneinan-
der zu Ateliers eingerichtet waren. Eins
still liegend mit geschlossenen Augen g 5 ic
mic der Gewalt hin, die meine Gedanken
lenkte,
Immer tiefer versenkte ic mich in mich
selber. Alte Zeiten wurden neu vor meinen
Augen. Ga fiel mir ein, wie ic als Kind
einmal vor die Stadt gegangen war zu ei-
nem Hirchbofe der nicht weit vom Tbore ab-
lag. Vorher hatte ich mich nie daran erin-
nert, jetzt sah ic Alles ganz deutlich. Die
Mauer war niedrig und mit breiten. glat-
ten Steinen belegt. Ic kletterte hinauf,
setzte mich nieder und sab vor mich hin. In
der Ferne lagen bläuliche Wälder, in unbe-
stimmten Farben verfloß die Nähe in die
Weite. Immer flockt sab ic das Land und
den Himmel darüber. Mattes Gewölt,
blaslila, strich durch den Nether, der Wind
über die Gräser und unter einer Brücke, ab-
seits vom I ge, sprang das flache Wasser
über so nde Steine — E6 ward mir,
als patte id nie die Welt so schön gesehen ;
ic wollte den Blick fangen, ic könnte ibn
wieder verlieren fürchtete ich, sprang auf u.
griff nac meinem Werkzeuge.
Eine aufgespannte Leinwand fand sich,
Farben hatte ich die Menge, setzte die Dalet-
te duf und begann zu malen, halb im Trau-
me noc auf sas Spiel horchend ; und in-
dem ic malte, ward das Bild bei jedem Stri-
che be ller und schöner und lockender, das ic
in mir trug. Es war am Morgen, als ic
begann, Essen und Trinken vergaß ich darü-
ber, und erst als ich mit Erstaunen bemerkte,
das es Dämmerung im Zimmer ward, dacb
te ic an die Zeit und fühlte mic ein wenig
ermaftet. Nachdem ic rasch gegessen hatte,
lief ic noc in voller Nacht hinaus vor das
Tbor, um frische Luft zu schöpfen.
Ic machte große Schritte, einGefübl der
Freiheit lebte in mir auf, das ic nie zuver
empfunden. Die Zukunft lag wieder schön
und lodkend vor mir Keine Gedanken mehr
an Gold und Gunst. Selbständig wollte ic
leben, mit allein das Leben verdanken, und
wuszte ic auch noc nicht, wi e es gescheben
würde, so wußte ic doch, d a s es geschehen
würde.
So malte ic Tag für Tag weiter an mei-
nem Bilde, und während der Arbeit sah id
schon andere in mir, die ic nach ihm
beginnen wollte."
„Was ist aus Ihrer ersten Landschaft ge-
geworden," fragte Lilli.
„Verfauft, wie die andern ebenfalls!
Wenn man jetzt zehntausend bei mir bestell-
te, ic übernehme sie ! Ich weiß nicht, was
mit meinen Augen geschehen is : wohin ich
sehe, sehe ich Bilder; wo ic sonst kaum eine
terbrac ibn die Stimme des Gutsherrn, wel-
cber aus der Tbüre laut nac ibnen rief. Zu-
fälltg fanden sie sic dicht neben ihm und mit
wenigen Schritten im Saale. C3 war spät.
Man ging auseinander, und nach kurzerZeif
finden wir den Prediger und den jungen
Mann nebeneinander auf dem Heimwe-
ge.
Der Regen ward füblbarer, doc nicht
lästig und beschleunigte kaum ihren Gangs
Er siel so sanft und schmeichelnd aus ter stil-
len finstern Höbe berab, daß ste sich ihm mit
Vergnügen preisgaben. 3nerst schwiegen sie
beide. Friedrich, weil er erfüllt von seinem
Gespräche mit Lilli, von cinem schwebenden
Gefühle des Wohlseins getragen dabinging,
das ihn den alten Gafifreund an seiner
Seite fast vergessen ließ, dieser jedoch, weil
er das, was er zu sagen sich vor-
genommen hatte, noc im Geiste bin und ber
wandte, um es richtig zu beginnen. Endlich
batte er das erste Wort gepackt, und unter-
brach die Stille. „Sie unterhielten sich lan-
ge Zeit im Garten mit dem gnädigen Stau-
lein ? fragte er.
Friebric ließ sich nicht stören in seinem
inneren Fluge und antwortete: „ja."
„Sie ist ein sehr vernünftiges junges
Mädchen. Sie werden das obne Zweifel be-
merkt haben ?" fubr der Alte fort.
Der junge Mensch empfand jetzt dunkel,
daß det Prediger bei dieser Frage noch ein
Anderes im Hintergrunde hätte, worauf er
lossteuerte.
„Sc dächte," antwortete er leichthin,
„das brauchten Sie mich nicht erst heute zu
fragen." Er suchte in dem scherzenden Tone
unwillkürlich nac einer Waffe gegen den
Angriff.
Sd würde das anc nicht ge sagt baben,"
nerft sein Gegner bedachten Wortes
Fort fabrend, „wenn ic nicht heute Abend
goni besonders wünschte. Sie wären von der
leberzeugiing lebbaft durchdrungen, daß
Fräulein Elisabeth ein sehr vrtnünftigce,
junges Mädchen sei."
Jetzt log etwas Unerträgliches in dem
wobl consiruirten Satze. Es war, als wenn
eine Batterie in gemessenem Trabe heran-
Dunkeln die Hand, worauf ein jeder schwei-
gend sein Zimmer aufsuchte. —
Das erste, was dm andern Tage sein Obr
traf, war das GJeräusc des Regens, den der
Wind gegen die Fenster trieb. Er öffnete sie
nichtsdestoweniger und steckte den Kopf hi-
naus. Das Wetter war umgeschlagen, die
Ruft kübl geworden und schien symbolisch die
Entschlüsse beftäftigen zu wollen, welchen
sein Her; sic unterworfen batte. Die Stim-
mung des Himmels theilte sic ihm mit. Er
ging hinunter ; der Prediger war ausgegan-
gen. Allein saß er nun in dem großen Zim-
mer und frübsückte. Dann ging er wieder
hinauf an die Staffelei.Er nahm die gezeich-
neten Studien vor und malte am Vorder-
grunde seiner Landschaft. Doch die Hände
wollten nicht an der Leinwand baften. Er
legte die Palette nieder und setzte sich mit
der italienischen Reise ans offene Fenster.
Als er das Buic aufschlug, fielen seine
gen aus die Erzählung des Abenteuers,
cbea Goethe der schönen Mailänderin
qenüber bestand. Früber hatte er diese
Au-
wel-
ge-
@pi-
führe, abproßzte und richtete,
den ersten Scbus abzufeuern
Mann batte seine Prario. Gt
ebne jedoch
Der alte
war weder
geistreich, noc überfiel er seinen Gegner mit
plötzlichen Wendungen, sondern ging, nac
dem er seine Disposition gemacht, den Din.
gen langsam zu Leibe.
Friedrich indessen versuchte, ibm Stand
zu balten. ,,Ic dächte,"’ antwortete er frei,
„wenn eine Rose blübt, und die Menschen
ihre richtigen fünf Sinne beieinander haben,
so ist man vornherein darüber einverstanden,
daß ihr Anblick und ibr Duft entzückend sind.
Das verstebt sic von selbst, gestern deute u.
morgen. Ob es eine Sünde sei, beimlich über
das Gitter eines Gatens zu klettern, weil
seine Schönheit dazu verführte, darüber lie-
se sic allenfalls noc streiten, ob man aber,
wo Thür und Thore offensteben, und wo man
sogar einzutreten aufgesordert wird, absicbt-
lich um die schönste Blume einen weiten Um-
weg machen müsse — das das wäre ein Ge-
setz Det Discretion, welches hoffentlich in kei-
ner Gesetzgebung zu finden is."
„Wenn wir aber wissen daß eine Rose ei-
nem andern angebört, und wir strecken Den-
noc die Hand nac ibr aus, so tbun wir den-
noch wissentlich, was ein Unrecht ist !" — so
hätte der Prediger vielleicht erwiedern fön-
nen; statt dessen aber ließ er sic durchaus
nicht auf dasBeispiei ein, sondern antworte-
te einfach: „ich wollte sie daran erinnert
haben, daß das Fräulein eine Braut ist, und
wie ic ganx bestimmt weiß, eine sebr glückli-
che, und ic halte es für meine Pflicht, Sie
zu bitten, daß Sie sich ibr und sich selbst ge
genüber vor Schaden hüten."
Jeß; entgegnete Friedrich kein Wort mehr
nnd der Alte sagte auch nichts weiter. Das
Feenreich aber war zerstoben. An der Härte,
mit welcher ibn dieser Schlag traf, füblte er
nur zu sebr, in welchem Maße er bereits das
vergessen batte, woran ihn der Prediger er-
innerte. Er war nocherr genug seiner selbi,
um rubig überlegen zu fönnen, was zu thun
ihm seine Pflicht geböte, und indem er sich
eingestand, daß er auf dem Wege gewesen
war, dem Zuuber des schönen Mädchens zu
unterliegen, faßte er energisch den Entschluß,
sie nie wiederzusehen und sobald als möglich
abzureisen. An der Hausthüre, als sie sich
trennten, drückte er dem alten Manne im
sode niemals ohne ein Gefühl der Abnei-
gung gegen den Dichter gelesen, welcher
so falt die Herrschaft über sein Herz bewahrt
und sich mit so regelrechter Behandlung
selbst zu curiren verstand. Nie sebrihm auch
Alles detGerechtigkeit gemäß ei schienen war,
diese Art und Weise, das Verhältniß abzu-
brechen, welches leidenschaftlich und tragisch
werden konnte, beleidigte ibn. Jetzt las er
die Worte mit anderem Gefübl ; die früber
vermißzte Leidenschaft sah er tief und glü-
hend in ibm liegen, die freiwillige zerban-
nung ward Ium bewundernswürdigen Hero-
ismus. Die Dinge traten ihm plötzlich so na-
be nnd schmerzlich vor die Augen, daß
er das Buch schloß und in Nachdenken ver-
fiel.
Draußen rauschte und rauschte es. Al-
le Blätter der Dichten Büsche die das Haus
umgaben, glänsten und zitterten. Dicht vor
ibm tröpfelte e6 unaufhörlich nieder vomDa-
che. Der sandige Boden blieb trocken. Der
frische Hauch, in den die dumpfe Schwüle
der vorhergehenden Tage verändert war,
atbmete sich sanft ein und lockte in’s Freie.
Friedrich suchte sein dichtetes Schuhwerk her-
vor und verließ das Haus.
Er wandte sich dem Walde zu. Der Ho-
rizont war grau verhüllt, der Spiegel des
Sees raub von unzähligen kleinen Wellen,
die Weste der Kiefern, die bläulichen Wach-
bolderbüsche vollgesogen vom Regen. Ebenso
das dichte Haidekraut, in das er hineintrat,
und das erfrischte 9öos auf dem flachen
Grunde des Waldes. Er ging durch die
Stämme und schlug mit der Hand an die
jungen Birken, daß ihnen das helle Wasser
aus den langen Zweigen sprühte, er holte
sic bier u. da eine nasse frübreife Brombeere
aus den sachlichen Ranken heraus, die sie
beschützten, u. pflückte amRande des großen
baumumschlossenen Sumpfes weiße Wasser
blumen mit langen, runden Stielen,
die er wie grüne Schlangen
hielt.
Als er einen Stein weit
auf der andern Seite eine
in der Hand
binwarf, stieg
Flucht wilder
Enten auf, überflog das Wasser und senkte
sich auf einer schilfigen Stelle wieder herab.
Auch ein paar Becassinen mit zierlichen
Beinen und spitzem Schnabel sab er in der
Ferne über das sandige Ufer laufen. Er
dachte daran, wie sich der Wald so still im
grauen Tone der Luft so schön malen ließe,
dich wußte er noc nicht recht, wie er ein Bild
daraus machen sollte. Endlich, nachdem er
eine lange Zeit in die Kreuj und die Quere
gegangen war. wandte er sich wieder dem
freien Felde zu.
In der Ferne sab er die Schmiede vor sich
liegen, in die er am Tage seinerAnkunft ein-
gefehrt war Was ibn damals fortgetrieben
lockte ihn beute an. Er ging darauf los, er
börte die Hammerschläge und trat ein. Der
Schmied stand am Feuer und hatte die
Hände voll Koblen, die er hineinwerfen
wellte. Sie wechselten einige gleichgültige
Worte. Friedrich fragte nach dem Gesellen.
„Es war mein Brnder," antwortete der
Mann, indem er die Kohlen inoFeuer schmiß
und den Blasebalg anzog, „er meinte, es
würbr ibm in der Stadt besser gefallen."—
„Bei wem is er dort in Arbeit ?"— „Kann
ic nicht sagen," versetzte er. Friedrich batte
kein Herz, nach ter Frau zu fragen, aber als
er das Haus wieder verlassen hatte, sa b er
sie im Garten gebückt arbeiten. Er lehnte sich
er. Sic sah ihm tn die Augen, als wollte sie
ihn ausforschen, und erwiederte dann, ,00
ist wenigerürbeit, wir können es allein zwin-
gen." Sie war schlank qewach sen und bielt
die Hand leicht in die Seite gestemmt. Ein
wenig erbitzt trugen ibreWangen das schön-
ste Rotb, um den Mund aber zog sich ein
trauriges Lächeln. Sie batte einen edlen,
etwas fremden Ausdruck, alo wäre sie aus
einer andern Gegend gebürtig. „Kann ic
dem Herrn mit etwas dienen ?" setzte sie bin-
zu, als er sie schweigend betrachtetete.
„Nein, ic danfe," antwortete er und ging
weiter. Nach einigen dundert Schritken blick-
te er zurück. Die Schmiede lag so schwarz u.
düster da, der Himmel war so grau, die
Wolken drückten sich fast auf die Erde herab
und drängten einander nach Osten. Auf der
andern Seite debnte sich das Dorf auo, ein
wenig lichter, weil es entfernter lag. Die
Baume rübrten sich nicht, der Rauch aus
den Schornsteinen schwamm in einer langen
Linie über ded Häusern und konnte nicht
aufsieigen. Die Pappeln vor dem Hause Des
Pfarrers und die im herrschaftlichen Garten
starrten neblig in die Luft, und Alles war so
still wie ein Todenbof.
Friedrichs Entschluß, Lilli nicht wieder zu
seben, war noc keinen Augenblick wankend
geworden. Ihr Bild schien mit dem ver-
schwundenen Sonnenscheine wirklich an sei-
nem Zauber eingebüft zu haben. Er dachte
ganz rubig an die Rückkehr nnd wen er in
der Stadt zuerst aufsuchen wollte. Nieman-
den. Er hatte zu viel zu t hun und nahm sich
vor, seine Anwesenheit für’s erste zu ver-
heimlichen. Einsam würde er sich ein wenig
mehr als früher dünken, doc das verlöre
sich, meinte er. Die Heilung wäre auch gar
zu rascb gewesen, hätte er gleich mit ein e m
Rucke sein Her} in das alte Geleise bringen
und das ncue (in dem es sonst v orwärtsrol.
te) vergessen können. Als er aber in dasDorf
eintrat, fiel ihm umsomebr das heimathliche
Gefühl auf, mit dem er sich dem Pfarrhause
näherte, al. wäre er darin geboren und er-
zogen worden.
„Die gnädigen Herrschaften sein oben,"
sagte der Knecht, welcher in der Hausthüre
stand.
„Wer ?" — Friedrich erröthefe —
„Oben ? — bei mir ?"
,Ja, das gnädige Fräulein und die Frau;
oben sind sie." Zu allem Ueberflusse nahm er
noc die kurze Hängepfeife aue dem Munde
und deutete mit ihr die Treppe hinauf, setzte
sie dann wieder an ihren Plaß und fuhr mit
den bloszen Füßzeu in die Holspan-
toffeln, die er vor dem Hause hatte stehen
lassen.
Friedrich sah ihm einen Augenblick wie
erstarrt nac und betrachtete die Fustapfen,
dann eilte er hinauf und fand die
beiden Damen, welche vor sciner Landschaft
standen.
Die Mutter begann sogleich dem Künstler
auf eine simple aber beredete Weise das Wert
zu loben, während Lilli stumm ein wenig
zurückgetreten war und kein Auge davon ver-
wandte.
„,Wie finden Sie es, gnädigstesFräulein ?
richtete Friedrich zuletzt an sie das
Wort.
„Man möchte dort sein," sagte
sie.
„Was für ein Schlosz ist es eigentlich ?"’
fiel die Mutter von neuem auf das herzlich-
ste ein, „wohl in der Schweiz — oder in
Tyrol?"
Er lachte zuckte Die Achseln und machte
weiter keinen Versuch das Königreich näher
zu bezeichnen, in welchem seine Schlässer la-
gen.
„Aber wirklich, es is als wäre man
gemesen," fetzte die Frau hinzu, „es is
les gar zu natürlich; nicht wahr,
li ?"
„Jetzt wo wir uns schon ein wenig
dort
Al-
Lil-
ken-
auf die Staketen und
ibr einen Gutentag. Sie
bot
richtete
sich aus und erkannte ihn. „Ihr Mann ar-
beitet jetzt ja allein in der Schmiede ?" sagte
nen gelernt haben," sagte diese zu Friederich,
„kommt es mir auch beinah so ver, als wäre
ich dort gewesen. I weiß wenigstens
die Landkarte, auf der ic es zu suchen
hätte."
Er betrachtete nur die Bewewegung ihres
schönen Mundes und hörte kaum was sie
sagte. Sie wandte sic endlich vom Bilde ab
und fing an, die übrigen Gegenstände im
Himmer zu besehen, las die Titel der Bücher,
sah einmal in den Hof hinab,
freute sic die alten Kupferstiche wiederzufin-
den und erinnerte ihre Mutter an
Verschiedenes, das sie in diesem Zimmer
erlebt hatten, während die altegrau ebenfalls
als junges Mädchen hier aus und eingegan-
gen war. Gerade an dem Fenster, wo
Friederichs Tisch stand, hatte die alte
Nummer 42.
:=====================----------====
Dfarrerin vor Jabren gesessen mit einer
boben sonderbaren Haube, die so deutlich be-
schrieben ward, daß sie der Maler im Trau-
me zu erblicken fürchtete.
„Pilli, wir müssen qeben," bieß es dann
plötzlich. „Meiu Mann wird auch noch
kommen und Abschied von Ihnen nes-
men."
„Atsbied ?" fiel Friedrich ein und glaub-
te nicht recht zu bören.
„Sa, leider. Wir gehen auf unser anderes
Gut, einige Meilen von bier. Und da uns
der Prediger sagte, daß Sie sebr bald in die
Stadt zurückgingen, werden wir uns wohl
dort erst wiederseben."
„3c nächsten Winter," fügte Lilli hin-
zu.
Friedric küßte die Hand der Frau, ver-
neigte sich gegen Lilli, börte sie die Treppe
binabgeben, sab sie vom Fenster berab in den
Büschen verschwinden und fühlte sich allein.
Von guten Vorsätzen wußte er nichts mehr ;
weder sein Herz noch seine Augen, die ihm
schwer wurden, wie sie lange nicht gewesen.
Er schritt heftig auf und ab und kämpfte mit
den Gedanken die wie Raubvögel auf ihn
eindrangen.
Allmälig füblte er, daß er vom Regen
gänzlich durrdnäßt sei "und sic umfleiden
müsse; wenigstens eine Beschäftigung. Er
sab Palette und Pinsel daliegen und glaub-
te, er würde sie niemals wieder berühren.
Wozu diese Bilder malen, die in die Hände
gleichgültiger Menschen geriethen ? Wer war
der, den das Schicksaz sandte, damit er ihm
bei Lilli zuvorfäme ? Liebte sie ihn ? Der
Prediger batte ihm schon die ersten Tagen
erzäblt, wie glücklich sie sei. Konnte er fic
nicht irren ? Konnte sie das nicht? Der
Goethe lag noch aufgeschlagen auf dem Ti-
sche. Er nahm ibn uud warf ibn wieder hin.
Es war doc Kälte und Mangei und wah-
rer Leidenschaft, daß der Dichter sich von
dem geliebten Mädchen losriß und sie nachher
ganz rubig wiedersab.
Die Magd tief zur Tische. Es war ihm ein
unendlicher Zwang, dem Prediger gegenüber
zu sitzen, deffen prüfendem Blicke alle seine
Gefühle offenbar sein mußten. Er wat davon
überzeugt. E6 empörte ihn. Dann nahm er
wieder Vernunft an, aber seine Ruhe wie-
derzuerlangen war unmöglich. Seine Ge-
danken verfolgten das schöne Mädchen. Jetzt
steigen sie in den Wagen, dachte er; jetzt
fahren sie da vorüber, wo die grosse Birke
in den Weg hinein steht: wie schön sie sein
wird im Hauche der ersrischten Luft ; wie
glücklich die Büsche am Wege, die sie an-
blickt ; wie glücklich die Regentropfen, die ihr
entgegenfliegen! Man denkt eben nicht lo-
gisch, wenn die Sehnlucht am Herzen nagt,
und beneidet Alles, was der Geliebten nahe
ist, was sie berührt. Sehnsucht hat eine
Phantasie mit Adleraugen. Ihre schaffende
Kraft is unversieglich, nur die der Eifersucht
übertrifft sie. Sehnsucht bewegt die ganze
Seele eines Menschen zu harmonischen Krei-
sen um einen Mittelpunkt, dem sie alle zu-
streben, von dem sie alle ausgehen. Sie über-
mannte Friedrichs Willen, der sich dagegen-
stemmte, wie die kühle Schläfrigkeit nach et-
ner durchwachten Nacht zog sie ihn an und
er widerstand nicht meiter.
Träumend und siumm saß er hinter sei-
nem Teller und ließ sich ausforderr, zu Essen
und zu Trinken. Sie sprachen wirklich au-
ßerdem kein Wort zusammen. Nach Tisch
Tisch hatte der alte Herr Geschäfte und
überließ ibn wieder sich selbst. Das Wetter
war noch dasselbe. Friedrich fetzte sich ans
Fenster und sah in ein Buch, das Lilli be-
rausgezogen und nicht wieder in die Reihe
gestellt batte. Er schlug es auf nach einer
Weile und las da, wo sich zufällig die Sei-
ten getheilt hatten.
[Fortsetzung folgt.)
Ein störender Schnurrbart.
In einem Coupee 4. Classe des von Norden
nac Altona kommenden Personenzuges bat
vor einigen Wochen eine komische Verwechs-
lung stattgefunden. Es war sehr dunkel, Nie-
mand konnte seinen Nachbar erkennen und
eine Unterhaltung wollte sich auf diese Wei-
se nicht anknüpfen. Da wurde das Schwei-
gen plötiic durch die naive Frage einer
weiblichen Stimme unterbrochen: „Karl,
wo hast Du den Schnurrbart her ?‘ Unge-
beure Heiterfeit folgte diesen nicht mißsuver-
stebenden Worten. Dieselben waren von
einem jungen Mädchen ausgegangen, das
bis dabin auf der Reise neben seinen Bräu-
tigam gesessen hatte, welcher jedoch beim
Einsteigen auf der vorhergehenden Station
im Gedränge auf einen anderen Platz
gerathen war. Derjenige Passagier, der des
ErwäbntenStelle eingenommen hatte, fühlte
plötzlich einen zärtlichen Händedruck, worauf
zwei Lippen mit herzhaftem Ruß sic auf die
seinen preßten und dort den Schnurrbart
vorfanden, der jenen Ausruf veranlaßte.
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Lindheimer, Ferdinand J. Neu-Braunfelser Zeitung. (New Braunfels, Tex.), Vol. 17, No. 42, Ed. 1 Friday, September 10, 1869, newspaper, September 10, 1869; New Braunfels, Texas. (https://texashistory.unt.edu/ark:/67531/metapth1651926/m1/1/?q=%22civ-war%22: accessed June 29, 2024), University of North Texas Libraries, The Portal to Texas History, https://texashistory.unt.edu; crediting Texas State Library and Archives Commission.